weine aus dem orient

    

alte oder neue welt

„man fragt sich: alte oder neue welt?“ sagt eine mit verkostungserfahrenem gaumen aus der runde zu einem sehr passablen blind eingeschenkten probeschluck. nun, gute frage. wohin gehören weine aus der türkei, aus marokko, aus dem libanon und aus israel?

wein als kulturgut

bei keiner verkostung wird deutlicher, wie sehr wein kulturgut ist. manche der gebiete zählen mit zu den ältesten mit nachweisbarem weinbau.

christliche klöster, die römer und die tradition koscherer weinbereitung in israel haben den weinbau im orient nie ganz aussterben lassen, trotz des alkoholverbots durch den islam.

die weingebiete

türkei
ein traditionell großes traubenanbaugebiet, vor allem für tafeltrauben und rosinen. weinbau ist dort seit 6000 jahren nachweisbar und erfuhr vor allem durch kemal atatürk, dem gründer der modernen türkei wieder einigen aufschwung. heute entstehen die meisten weine im hinterland von istanbul. im strengen anatolischen klima geht der rebanbau bis in 1250m seehöhe – und bringt kräftige und trotzdem säurereiche weine – bei dieser verkostungsgelegenheit aus den autochtonen rebsorten öküzgözü und bougazkere. die cuvèe daraus ist durchaus passabel.

marokko
dort war der weinbau bis 1984 ganz vom staat dominiert, erst nach und nach wurde und wird der staatliche einfluss weniger, die „celliers de meknès“ sind heute einer der größten privaten produzenten mit weinen aus meknès, das seine weinbaukultur vor allem den römern verdankt und mit den ausläufern des atlas gute klimatische bedingungen hat.

zehn prozent der marokkanischen gesamterzeugung entfällt auf „vin gris“, einem gefälligen rosé meist aus cinsault gris und grenache gris mit praktisch fast keiner maischestandzeit. sowohl der verkostete vin gris als auch die beiden vertreter aus internationalen rebsorten finden gefallen in der runde.

libanon
das land umfasst teile des alten biblischen kanaan und phönizien und gehört damit zu den ältesten weinbauregionen der welt. auch im libanon gibt es viel tafeltrauben- und rosinenproduktion sowie grundweinproduktion für arrak, dem raki-ähnlichen brand. der weinbau hier ist vom historisch bedingten französischen einfluss geprägt, sichtbar an den rebsorten: cinsault, caringnan, cabernet sauvignon, merlotsind verbreitet. von einem der größten chateaux kommt dieser vertreter in ganz klassischer, internationaler stilistik.

israel
historisch hat die frucht des weinstocks schon in der bibel große bedeutung als eine der sieben gesegneten früchte.  der unter christlicher herrschaft kultivierte weinbau wurde im jahr 626 durch die moslems vernichtet, die kreuzzüge brachten ihn zwischen 1100 und 1300 wieder zurück. der neue weinbau ab dem 19. jhd erfuhr und erfährt vorallem durch den export von koscherem wein an jüdische gemeinden in aller welt großen aufschwung. viele weinberge sind im besitz von kollektiv organisierten kibbuzim oder moschavim.

koscherer wein wird von strenggläubigen juden erzeugt unter genauer aufsicht von rabbinern – und oft  gekocht/pasteurisiert. der so entstandene meshuval büßt seine qualität dadurch größtenteils ein.

der verkostetete vertreter aus israel ist nicht pasteurisiert – gott sei dank. ein hochwertiger wein in jeder hinsicht – mit an die 50 euro auch preislich.

(c) alexandra schmidt

wein und islam

die von prophet mohammed im 7. jhdt nach christus gestiftete moslemische religion hatte tiefgreifende wirkungen auf die geschichte des weinbaus. wein war jedoch nicht von anbeginn des islam verboten. im koran geht es in vier versen um wein, manche davon sind durchaus positiv: „geschenkt sind euchdie frühcte der palme und der rebe, von denen ihr berauschenden trank und gute speisen habt“ (sure 16, vers 69).

maßgeblich für die interpretation als verbot ist die sure 5, vers 92: „o ihr, die ihr glaubt, siehe, der wein, das spiel,die bilder und die pfeile sind ein gräuel von satans werk. meidet sie; vielleicht ergeht es euch wohl.“

es herrschte lange uneinigkeit, denn die arabischen völker kannten nicht nur wein, sondern viele verschiedene vergorene getränke, es blieb strittig, ob getränke aus datteln, honig, weizen und gerste ebenfalls verboten seien.

rund um die klöster und auch in dem im mittelalter von den moslems eroberten gebieten, zb in andalusien, war weinbau nie ganz verboten.

weil die türken im mittelalter viele osteuropäische weinbauregionen eroberten, gibt es die legende vom tokajer und dass die eroberer indirekt für die entdeckung der edelfäule verantwortlich gemacht werden.

die technik und alchimie der moslems soll außerdem dazu geführt haben, dass die kunst des weinbrennens in westeuropa fuß fassen konnte – und tatsächlich sind die worte „alkohol“ und „alambic“ (destillierblase) arabischen ursprungs.

kaufen/liegenlassen/meiden/verschenken

kaufen sie weine aus dem orient, wenn sie in den gegenden – hoffentlich bald wieder – unterwegs sind, bringen sie offenheit mit und lernen sie dabei ein paar neue rebsorten kennen.

lassen sie weine aus dem orient nicht zu lange liegen, wenn sie recht einfach sind, manche haben aber – gut gerüstet mit säure und alkohol – durchaus reifepotential.

meiden sie weine aus dem orient, wenn sie lieber auf nummer sicher gehen und ihrem gewohnten geschmacksspektrum treu bleiben wollen. und: man muss manchmal schon ganz ordentlich investieren. einige der verkosteten weine in der liste liegen nah bei 30 euro, der israeli sogar bei 50 euro.

verschenken sie weine aus dem orient, wenn sie platz im koffer haben oder der duty free einiges hergibt. servieren sie die weine interessierten gästen blind und sorgen sie so für eine gehörige überraschung. bleibt die frage: alte oder neue welt?



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