ich war dort, wo alles begann: vor 8000 jahren
was fällt ihnen ein, wenn sie georgien hören? dass es dort seit cirka 8000 jahren weinbau gibt? dass 500 der – konservativ gerechnet – 8000 rebsorten dort zuhause sind?
dass dort seit 2008 kein frieden mehr ist? südossetien und abchasien wollen eigentlich unabhängig sein, russland hat was dagegen.
oder, dass nino haratischwili den deutschen buchpreis 2018 bekam – für die großartige schilderung von über hundert jahren europäischer geschichte aus der sicht georgiens in „das achte leben“? schwere empfehlung übrigens.
nun, hier geht es um wein. nicht um politik und literatur. als ob das zu trennen wäre, sagen sie? guter punkt.
qevris – riesige ton-amphoren
georgien als weinland ist erstmal vielversprechend. dort wird qevri-technik angewandt. große, ja, riesengroße amphoren aus ton kommen in die erde. für maischevergorene weissweine, die erde kühlt und die ovalen amphoren überstehen eingegraben erdbeben eher.
die georgier haben weisswein allein schon deshalb auf der maische vergoren, weil er viel haltbarer war, durch die tannine. na ,klar: vor bis zu 8000 jahren war das wasser ein gesundheitliches risiko. wein nicht.
in großen amphoren wird der wein vergoren, dann kommt die maische mit spannenden sieb-sytemen raus, die füllhöhe wird ausgeglichen. dann reift der wein unter luftabschluss bis zur füllung.
die tonamphore gibt ebensowenig geschmack ab, wie ein zement-tank oder ein altes holzfass. natürlich gibt es längerfristig austausch mit dem boden und die temperatur ist von natur aus kühl, nicht wie in einem kontrollierten stahltank. aber der eigene geschmack der bernstein-farbenen „amber-weine“ kommt nur von der maische-gärung, von nix sonst.
eine amphore zu waschen ist anstrengend und es darf nur wasser und ein wenig zitronensäure verwendet werden. zb mit einer bürste aus rinden vom kirschbaum. wer putzt, muss danach ein glas wasser aus der amphore trinken. so merkt man gleich, ob die person sorgfältig war. wenn nicht, wird ihr schwindlig, oder so.
die böden? welche frage!
die böden? „can you tell me something about the soil?“ hab’ich gefragt. „uhm, yes, the wines are for sale“, war die antwort. soil? da wisse sie nix darüber.
am nächsten weingut fragen wir uns bis zum kellermeister durch. die antwort ist samt mimik auch vor der übersetzung schon verständlich: „mädel, wir wissen seit 8000 jahren, dass auf diesem boden wein wächst. das genügt. ja, bei einem neuen weingarten machen wir mineralstoff-proben vor dem auspflanzen, für die optimale rebsorte. aber das ist alles.“
ein besonders schöner wein ist der von aleko. aleko arbeitet in der zementindustrie. nebenberuflich macht er richtig guten rkatsiteli.
er wird mir beschrieben als ruhiger typ. eine flasche kostet ordentlich für georgische verhältnisse und ist jeden cent wert. wie das geht? mit viel aufwand, liebe und wenn einer keine kompromisse macht.
dann ist in georgischem wein best of both worlds vereint: aleko schafft trockene klarheit und oranges maische-tannin. abgang, trinkfluss und:
waaas? die flasche ist schon leer?
solche projekte gibt es einige. in anderen sorgen westeuropäische investoren für modernisierung und bauen weingüter und weingärten nach internationalem vorbild. viel davon geht richtung mainstream, viel davon ist richtig individuell und verbindet qevri-tradition mit orange und bio. mhhh.
übrigens: in georgien macht jede familie ihren eigenen hauswein.
davon aber ein anderes mal.
aufmachen/liegenlassen/meiden/verschenken
machen sie georgischen wien auf für liebe menschen mit offenem herzen und mit sinn für originale. auch für leute mit ausgeprägtem geschichtsbewusstsein. ja: was sie hier im glas haben, hat 8000 jahre tradition. not bad.
georgische weine können sie liegenlassen. die halten. tannin, alkohol, säure, alles da. nur zu.
meiden sie georgische weine, wenn sie den reduktiven stil bevorzugen. wenn ihnen maische-vergorene weine ohnehin suspekt sind. ok, gut. aber sie könnten noch sehr viel lernen. und mit ein bisschen mut und ausdauer ungeahnte geschmackserlebnisse haben.
verschenken sie georgische weine an liebe menschen, die sinn für natur, geschichte und tradition haben. und geduld. mit sich und ihrem eigenen geschmackssinn. mit der lagerzeit von weinen. und mit einer region, die voll im aufbruch ist – trotz der langen geschichte.